12.01.2022

Rundschreiben 01/2022 – Neuer Vorschlag für eine Richtlinie zur Mindestbesteuerung multinationaler Unternehmen – Bitte um Rückmeldung bis 4. März Geschäftsschluss

Alexis - Alexis.Waravka@IndependentRetailEurope.eu - +32 2 739 60 92

Am 22. Dezember 2021 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie des Rates veröffentlicht, mit der die effektive Mindestbesteuerung der weltweiten Tätigkeiten multinationaler Konzerne (und großer inländischer Konzerne) sichergestellt werden soll. Dieser Vorschlag ist der erste Schritt zur Umsetzung der jüngsten Vereinbarung der OECD/G20 über eine globale Steuerreform und legt die Grundsätze eines effektiven Steuersatzes von mindestens 15 % fest, der einheitlich in der gesamten EU gelten soll. Ihm wird ein zweiter Vorschlag (über die Neuzuweisung von Besteuerungsrechten an den steuerpflichtigen Gewinnen der größten multinationalen Unternehmen) anstelle der EU-Pläne für eine Digitalsteuer folgen. Bis zum 10. März 6. April 2022 findet eine Konsultation der Interessenträger zu diesem ersten Vorschlag statt. Mitglieder, die sich für diese Angelegenheit interessieren, können uns ihre Stellungnahme zu diesem Vorschlag bis zum 18. Februar 4. März 2022 zusenden.

 

Hintergrund: Vereinbarung über eine globale Steuerreform

Die von 137 Ländern (einschließlich aller EU-Länder) geschlossene Vereinbarung der OECD/G20 über eine globale Steuerreform basiert auf zwei Säulen:

  • Säule 1 sieht eine Neuzuweisung von Besteuerungsrechten an den Gewinnen multinationaler Unternehmen in einigen Sektoren vor, die einen konsolidierten Jahresumsatz von mindestens 20 Mrd. € und einen Gewinn vor Steuern von über 10 % basierend auf dem Konzept des Endmarkt-Steuergebiets haben, in dem die Waren oder Dienstleistungen verwendet bzw. in Anspruch genommen werden.
  • Säule 2 sieht einen effektiven Mindeststeuersatz von 15 % für multinationale Unternehmensgruppen vor, die einen konsolidierten Jahresumsatz von mindestens 750 Mio. € haben.

Mit der von der Kommission am 22. Dezember 2021 vorgeschlagenen Richtlinie soll Säule 2 der Vereinbarung umgesetzt werden. Mit einem zweiten im Laufe dieses Jahres erwarteten Richtlinienvorschlag der Kommission soll Säule 1 (Neuzuweisung der Gewinne von multinationalen Unternehmen) umgesetzt werden. Im Einklang mit der Vereinbarung der OECD/G20 über eine globale Steuerreform werden diese beiden Richtlinien an die Stelle der geplanten Einführung einer EU-Digitalsteuer treten (und erfordern, dass einige Länder ihre nationale Digitalsteuer zurückziehen bzw. abschaffen).

 

Kommissionsvorschlag für eine Mindestbesteuerung von Unternehmen

  • Anwendungsbereich: Die vorgeschlagene Richtlinie würde für Unternehmen, die zu einem multinationalen Konzern gehören, sowie für große nationale Unternehmen, auch im Finanzsektor, gelten, deren jährliche Gesamterträge mehr als 750 Mio. € betragen und die entweder eine Muttergesellschaft oder eine Tochtergesellschaft in einem EU-Mitgliedstaat haben. Somit weicht der Richtlinienvorschlag leicht von der internationalen Vereinbarung ab, weil auch große nationale Unternehmen (und nicht nur multinationale Unternehmen) in den Anwendungsbereich der Vorschriften fallen. Diese Abweichung war notwendig, um die Vereinbarkeit mit dem in der EU geltenden Grundsatz der Niederlassungsfreiheit zu gewährleisten und um eine Diskriminierung der EU-Mitgliedstaaten zwischen einem Unternehmen, das zu einem Konzern mit grenzüberschreitender Geschäftstätigkeit gehört, und einem Konzern mit rein nationaler Geschäftstätigkeit zu vermeiden.
  • Effektiver Mindeststeuersatz: Gemäß der Richtlinie (Art. 3(12)) beläuft sich der Mindeststeuersatz auf 15 %. Ein Land, das diesen Mindeststeuersatz nicht anwendet, wird als „Niedersteuerland“ (Art. 3(29)) angesehen und unterliegt gemäß der Richtlinie bestimmten Vorschriften für die Anwendung einer „Top-up-Steuer“ (siehe unten).
  • Berechnung des effektiven Steuersatzes: Der Mindeststeuersatz wird pro Steuergebiet festgestellt, indem die von einem Unternehmen in dem Gebiet gezahlten Steuern durch ihre Einkünfte geteilt werden (siehe Kapitel IV des Vorschlags).
  • Effektive Anwendung des Mindeststeuersatzes: Wenn der effektive Mindeststeuersatz für die Unternehmen in einem bestimmten Steuergebiet unter dem Mindestsatz von 15 % liegt, gelten die Säule-2-Regeln. Die Muttergesellschaft des Konzerns wird nachbesteuert, damit der effektive Satz von 15 % (für das Unternehmen selbst, wenn es niedrig besteuert ist, und für seine Geschäftseinheiten, die in den Ländern ihrer Niederlassung niedrig besteuert sind) erreicht wird. Dies wird als „Income Inclusion Rule“ (IRR; Hinzurechnungsbesteuerung) bezeichnet. Die IRR „Top-up-Steuer“ ist auf Ebene der Muttergesellschaft (oder der zwischengeschalteten Muttergesellschaft in der EU, wenn die oberste Muttergesellschaft außerhalb der EU niedergelassen ist und keine ähnliche Regel anwendet) dort anzuwenden, wo sie steuerlich ansässig ist/als steuerlich ansässig anzusehen ist.
  • Nationale Top-up-Steuer (Art. 10): Zum Schutz der nationalen Steuerhoheit können die EU-Mitgliedstaaten jeweils entscheiden, die Top-up-Steuer national auf Geschäftseinheiten anzuwenden, die in ihrem Gebiet niedergelassen sind. Demzufolge wird die Top-up-Steuer dem Niedrigsteuerland zugeordnet und auch dort erhoben und keine zusätzliche Steuer auf Ebene der obersten Muttergesellschaft des Konzerns erhoben. Wenn sich ein EU-Mitgliedstaat für diese Option entscheidet, ist die Höhe der von der obersten Muttergesellschaft zu zahlenden Top-up-Steuer um die Höhe der von den Geschäftseinheiten zu zahlenden Top-up-Steuer (bis auf null) zu reduzieren.
  • Unterbesteuerungsregel (UTPR; Undertaxed Payment Rule): Die Richtlinie sieht einen Auffangmechanismus (die so genannte Unterbesteuerungsregel, kurz UTPR – Art. 11-13) vor. Demnach ist die UTPR anzuwenden, wenn die oberste Muttergesellschaft ihren Sitz in einem Land außerhalb der EU hat, dass die IRR (Hinzurechnungsbesteuerung) nicht umgesetzt hat. Außerdem sieht die Richtlinie vor, dass die UTPR auch anzuwenden ist, wenn die oberste Muttergesellschaft ihren Sitz in einem Nicht-EU-Land hat, das die IRR umgesetzt hat, doch (zusammen mit den anderen Geschäftseinheiten in diesem Land) niedrig besteuert ist. Auf Basis der UTPR wird die Top-up-Steuer entsprechend dem Steuergebiet der obersten Muttergesellschaft allen Geschäftseinheiten zugeordnet, die die UTPR implementiert haben, einschließlich der Geschäftseinheiten mit Sitz in einem Mitgliedstaat. Die UTPR ist jedoch nicht anzuwenden, wenn die oberste Muttergesellschaft ihren Sitz in einem Mitgliedstaat hat, weil eine oberste Muttergesellschaft mit Sitz in einem Mitgliedstaat die IIR anzuwenden hat.
  • Vorgesehene Ausnahmen:
    • Minimalerträge oder -gewinne (Art. 29 – d. h. wenn eine Konzerngesellschaft oder ein großes nationales Unternehmen durchschnittliche Erträge von weniger als 10.000.000 EUR oder einen anrechenbaren durchschnittlichen Gewinn oder Verlust von weniger als 1.000.000 EUR in einem Land hat)
    • Gewinne, die mit Mindestprozentsätzen auf materielle Vermögenswerte und die Lohnsumme verknüpft sind (Art. 27): Unternehmen können Erträge von mindestens 5 % des Buchwertes der materiellen Vermögenswerte und 5 % der Lohnsumme von der Top-up-Steuer ausnehmen.
  • Für die Anwendung der Richtlinie bei Umstrukturierungen, Fusionen/Abspaltungen, Joint Ventures usw. sind bestimmte Regelungen vorgesehen (siehe Kapitel VI des Vorschlags).

 

Konsultation der Interessenträger zum Richtlinienvorschlag

Bis zum 10. März 6. April 2022 findet eine Konsultation der Interessenträger zu diesem ersten Vorschlag statt. Mitglieder, die sich für diese Angelegenheit interessieren, können uns ihre Stellungnahme zu diesem Vorschlag bis zum 18. Februar 4. März 2022 zusenden. Auf Basis der eingegangenen Rückmeldungen werden wir evaluieren, ob (und wie) Independent Retail Europe) auf die Konsultation antworten sollte.

 

Nächste Schritte

Der Richtlinienvorschlag muss vom Rat (einstimmig) nach Anhörung des Europäischen Parlaments (dessen Meinung wie bei allen Steuerfragen nicht verbindlich ist) gebilligt werden. Bei rechtzeitiger Annahme muss die Richtlinie bis zum 31. Dezember 2022 von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Danach müssen die Mitgliedstaaten die Vorschriften der Richtlinie ab dem 1. Januar 2023 anwenden. Die Vorschriften zur UTPR werden jedoch erst ab dem 1. Januar 2024 in Kraft treten.

Außerdem wird die Europäische Kommission diesen Vorschlag durch einen neuen, in diesem Jahr noch zu veröffentlichenden Vorschlag zu Säule 1 der internationalen Vereinbarung (über die Neuzuweisung von Besteuerungsrechten an den steuerpflichtigen Gewinnen sehr großer multinationaler Unternehmen – siehe oben) ergänzen. Für diesen Vorschlag soll ein Teil der zusätzlich erzielten Einnahmen als neue Mittel zur Finanzierung des EU-Haushalts (Beitrag zur Rückzahlung des Europäischen Aufbaufonds) verwendet werden.